Bericht: 30. Internationale Akupunkturwoche

Rückblick auf ein Akupunkturfest

Besucherrekord – Begeisterung – Spitzenforschung – Diskussionen – Praxisrelevanz

Mit diesen Worten kann die 30. Akupunktur-Woche Bad Nauheim vom 2. bis 8. Mai 2016 charakterisiert werden. Es kamen so viele Teilnehmer wie noch nie, um in 80 Kursen ihr Akupunktur- und TCM-Wissen zu vertiefen.

Die über 1200 Kursbuchungen verteilten sich auf ein breit gefächertes Angebot von der Grundausbildung über die Qualifikation zur KV-Abrechnung mit Praxiskursen und Fallkonferenzen bis hin zu den renommierten Meisterausbildungen („Meister der Akupunktur DÄGfA, „Meister der Ost-Asiatischen Medizin DÄGfA“). Das Besondere jedoch waren die 30 Spezialkurse. Hier wurde eine Vielfalt ärztlich kompetenter Fort- und Weiterbildung angeboten, die weltweit ihresgleichen sucht.

Einer der Schwerpunkte waren die Integrativen Konzepte der Akupunktur mit Neuraltherapie, Applied Kinesiology, Taping, Manueller Medizin, Psychosomatik, klassischen Naturheilverfahren und Psychotonik. Diese Veranstaltungen zeichneten sich durch einen besonderen Praxisbezug aus. Jeder konnte merken, dass die Referenten Stefan Weinschenk, Ulrich Hecker, Hans Garten, Angelika Steveling, Naschmil Pollmann, Nicolas Behrens und Tom Ots authentisch aus ihrer täglichen Praxis berichteten. Die optimale Teilnehmerzahl zwischen 10 und 18 erlaubte viel praktisches Üben und intensiven Erfahrungsaustausch.

Weiteres Highlight und bekannter DÄGfA Schwerpunkt ist die Darstellung der vielfältigen Möglichkeiten der Mikrosysteme. Auch hier wurden keine Mühen gescheut, die besten Künstler auf dem Gebiet zu verpflichten. Marco Romoli, Gustav Peters, Antonius Pollmann, Hans Ogal sowie Gerhard Riehl zeigten die breit gefächerten diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten der Mikrosysteme auf.

Natürlich waren die Kurse mit Beteiligung der beiden weltweit geschätzten Altmeister Jochen Gleditsch und Toshi Yamamoto wie immer das besondere Erlebnis. Das gemeinsame Alter der beiden von über 170 Jahren (!!) war nicht spürbar: Lebendig, geistreich, humorvoll, und die große Kunst der Akupunktur mit einfachen Mitteln. Diese beiden haben 30 Jahre Bad Nauheim besonders geprägt, von Anfang an … Der erste Auftritt von Toshi Yamamoto in Deutschland war in Bad Nauheim vor 20 Jahren. Er wurde eingeladen von Jochen Gleditsch!

 

Höchste ärztliche Kompetenz in Traditioneller Chinesischer Medizin zeigt sich bei den Kursen mit Schwerpunkt TCM in Bad Nauheim. Da wurde die gesamte Palette von Chinesischer Arzneitherapie, Tuina, Qigong und Ernährungstherapie bis zur vertiefenden Akupunktur auf der Basis der großen Klassiker der TCM ausgebreitet. Gerade in diesen Bereichen ist die jahrzehntelange Auseinandersetzung mit der jeweiligen Materie essentiell für die kompetente Lehre und Vermittlung der empirisch gesicherten Inhalte. Dies wird im Rahmen der „Organmodule“ der Meisterausbildung durch besonders qualifizierte DÄGfA-Dozenten gesichert und ist auch Grundlage der Ausbildung in den weiteren TCM-Disziplinen. Jürgen Mücher, Jeremy Ross, Weizhong Sun und Josef Hummelsberger konnten in ihren Spezial-Kursen darüber hinaus eindrucksvoll belegen, welche erweiterten therapeutischen Optionen TCM bieten kann.

Der in den letzten Jahren in der DÄGfA aufgebaute Schwerpunkt Traditionelle Japanische Medizin (TJM) mit Akupunktur und Kampo war selbstverständlich auch in Bad Nauheim wieder vertreten. Die Basiskurse Japanische Akupunktur und Kampo-Medizin, die jeweils den einzeln zu belegenden Leistungskurs einläuten, und gleichzeitig Modul VI der Ausbildung zum „Meister der Ost-Asiatischen Medizin DÄGfA“ darstellen, wurden von Heidrun Reissenweber-Hewel und Ulrich Eberhard 100 Prozent authentisch nach japanischer Tradition gelehrt. Vielleicht ist noch viel zu unbekannt, dass die Erfolge der Kampo-Medizin wissenschaftlich belegt sind (!), dass die Japanische Akupunktur gerade für sehr empfindliche und vegetativ irritierte Patienten ein optimaler schmerzloser Zugang ist, und vor allem dass die beiden Referenten zu der Handvoll Menschen gehören, die in Japan selbst aufgrund ihrer fachlichen Kompetenz hohe Anerkennung genießen. Diesen Kursen würden wir mehr Teilnehmer wünschen.

Der „Durchbruch zum Geistigen“, wie es DÄGfA-Gründungsmitglied Bachmann nannte, kam wie immer in Bad Nauheim nicht zu kurz. Jochen Gleditsch‘ Synthese zur „Selbstfindung durch Wandlung“ interpretiert anhand des I Ging, war sicherlich der für alle stimulierende geistige Höhepunkt der Aku-Woche. Die grundsätzliche spirituelle Offenheit der DÄGfA, innerlich und als äußerliche Haltung, war darüber hinaus die ganze Woche in vielen Kursen, Gesprächen und Beiträgen zu spüren.

Und das zieht sich durch alle Generationen!
Wenn Sie den von den DÄGfA-Tutoren organisierten Studententag miterlebt hätten, dann hätten Sie keine Angst um die Zukunft der Medizin: fachlich interessiert, tiefgründig und viel Spaß und Motivation!

Auch die Moderatoren der DÄGfA initiierten Qualitätszirkel kamen zum Austausch nach Bad Nauheim im Allgemeinen und im Speziellen zum Kurs „Visualisierungstechniken“ im Rahmen der Moderatoren-Aufbauschulung am 07.05.2016. „Nur durch Zuhören merken wir uns nur ca. 10 Prozent des Dargebotenen, mit Visualisierung immerhin schon 70 Prozent.“ Mit dieser Information starteten die QZ- Moderatoren in einen aktiven Tag, der von Stephanie Baumann unter der Moderation von QZ-Ressortleiterin Gabriela Huemer gestaltet wurde.

Wie seit vielen Jahren üblich wurde jeder Tag der Bad Nauheimer Akupunktur-Woche umrahmt von morgendlichem Qigong, in bewährter Manier geleitet von Angelika Volmer, und den Abendveranstaltungen. Gerade bei diesen Veranstaltungen zeigte sich die Lebendigkeit und Breite der DÄGfA als ärztliche Fachgesellschaft: Von der Diskussion der GOÄ mit Wolfram Stör zu den schönen Künsten mit Literaturpreisträgerin und DÄGfA-Dozentin Britta Wuttke, von den TCM-Barfußärzten mit Tom Ots, der eine Reise nach China zu einem befreundeten Barfußarzt nach 30 Jahren wiederholte bis zu den Diskussionen und Erfahrungsaustausch der NADA-Akupunktur bei Flüchtlingen, angeregt und geleitet von Elisabeth Friedrichs. Die DÄGfA lebt vom Austausch und engagiert sich.

Und dann darf der Höhepunkt jeder Akupunktur-Woche, die Jahrestagung, nicht vergessen werden. Ein höheres Niveau kann eine medizinische Tagung nicht bieten wie an diesem 5. Mai 2016 in Bad Nauheim:
Geoff Burnstock, London, der in den letzten 3 Jahrzehnten die Forschung der Purine (z.B. ATP, Adenosin) als der mit Abstand weltweit größte Spezialist auf dem Gebiet entscheidend prägte, hat die ersten Hinweise auf die Beteiligung von ATP und Adenosin an der Akupunkturwirkung aufgenommen und hat in seiner key-note lecture eine Übersicht über deren potentielle Beteiligung an der Akupunkturwirkung gegeben. Ein weiterer wichtiger Mosaikstein auf dem Weg zum besseren physiologischen Verständnis der Akupunktur ist nun zementiert.

Marco Romoli, Prato, Italien beschreibt in seinem klugen Vortrag drei Aspekte, die in der Ohrakupunktur als spezifisch angenommen werden können: Die besondere Innervation der Ohrmuschel, die topographische Diagnose und die hierarchische Identifikation der Punkte für die Therapie.

Einen spannenden und gleichsam unterhaltenden Blick über den Tellerrand hinaus bescherte Doris Börner, Schenefeld. Da tut sich Erstaunliches in der Veterinärmedizin, und die Akupunktur ist neben High Tech Medizin ein wertvoller Baustein. Interessierte konnten sich dann am drauf folgenden Sonntag in einem Spezialkurs davon überzeugen. Es wurde in diesem Kurs sogar praktisch die Akupunktur an Hund und einem Pferd demonstriert!

Ihre aktuelle bahnbrechende und hochklassig publizierte Arbeit zur Bedeutung der segmentalen Hemmung bei der Vermittlung der Druckschmerz-lindernden Wirkung stellte Petra Bäumler, LMU München vor. Dieser Vortrag bewies, dass Grundlagenforschung klinisch relevant sein kann (segmentale Nadelung nicht vergessen z.B. Shu Mu) und gleichzeitig mitreißend präsentiert werden kann.

Taras Usichenko, Universität Greifswald, beleuchtete in seinem äußerst lehrreichen Vortrag den Zusammenhang von Akupunktur und Vagus aus verschiedenen Richtungen. Die nachgewiesene, wohl Vagus-vermittelte Wirkung auf Übelkeit und Erbrechen, spielte da ebenso eine Rolle wie Vagus-vermittelten Wirkungen der Akupunktur auf Herz-Kreislauf und Vegetativum inklusive UEW. Er postulierte die Ohrakupunktur als besonders wirksame Methode der Vagusstimulation.

Aufgrund intensiver Diskussionen der vorhergehenden Vorträge war die Zeit weit voran geschritten als Klaus Trinczek zu seinem Vortrag „Die Problematik der Kostenerstattung für Akupunkturbehandlungen auf Kassenschein“ antrat. Das Thema wurde dann aber so gut strukturiert und deutlich vorgetragen, dass alle Hörer aufmerksam folgten. Es wurde klar, dass die zur Erstattung notwendige Kriterien der Akupunktur selbst eine Weiterführung der in den bereits lange überholten Modellverfahren ausgeübten Schemata sind und dass QZV und Abrechnungsausschlüsse eine fachgerechte Behandlung behindern. Andererseits ist die Akupunktur im Vergleich zu anderen EBM-Leistungen nicht unterbewertet.

Nach der verdienten Pause ging es dann weiter mit spannenden Workshops u.a. mit Konstantina Theodoratu (Athen, Präsidentin des Akupunkturweltverbandes, ICMART), Michael Mayer (München), Jürgen Mücher (Bremen), Tom Ots (Graz) und Toshi Yamamoto (Miyazaki, Japan)

Anschließend ging es am frühen Abend in die Mitgliederversammlung bei der unter anderem turnusmäßig ein neuer Vorstand gewählt wurde.

Ja, und dann wurde in prachtvoller Umgebung im großen Konzertsaal der Stadt Bad Nauheim gefeiert. Die Highlights waren ein unterhaltsamer und interaktiver Rückblick von Jochen Gleditsch auf 30 Jahre Bad Nauheim, die Danksagung der Dozenten und Tutoren an den scheidenden 1. Vorsitzenden Wolfram Stör mit witzigen, klugen und faszinierenden Einlagen unter Moderation der von Angelika Steveling geschickt gelenkten Marionetten, eine bewegende Anerkennung der Leistung vom neuen 1. Vorsitzenden Dominik Irnich an seinen langjährigen Vorstandspartner und Vorgänger Wolfram Stör, ein hervorragendes Essen und guter Wein, und dann der Tanz bis in die frühen Morgenstunden. Kurzum: Es war ein Fest wie es schöner nicht hätte sein können!

Dominik Irnich, scheidender Leiter des Fortbildungszentrum und Organisator der Akupunkturwoche zog ein äußerst positives Resümee: „So gut war die Akupunkturwoche noch nie, solange ich mich erinnern kann. Es ist sehr schön, dass in den letzten 6 Jahren meiner Zuständigkeit die Teilnehmerzahl stetig angestiegen ist. Mein Dank gilt vor allem Frau Bauss für Ihre unermüdliche Organisation im Vorfeld und vor Ort, sowie dem gesamten Mitarbeiterteam um Corona Jaworeck, Katja Hanley, Britta Wuttke und allen Dozenten, Tutoren und Referenten.“

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