Chinesische Arzneimittel: Für deutsche Patienten keine Gefahr

21.04.2012

April 2012. Zwei aktuelle Studien zu chinesischen Arzneimitteln sind in den Medien auf große Resonanz gestoßen, weil sie das Klischeebild derselben zu bestätigen scheinen. Es wird teilweise der Eindruck erweckt, als seien Patienten hierzulande durch chinesische „Naturheilmittel“ gefährdet (z.B. Tagesspiegel vom 13.03.2012). Doch das, was der australische Zoll als illegale Einfuhren beschlagnahmt hat und das, was in Deutschland und anderen europäischen Ländern den Patienten als chinesische Medizin verschrieben wird, sind zwei völlig verschiedene Paar Schuhe.

Bei den vom Zoll beschlagnahmten Produkten, die in der ersten Studie [1] untersucht werden, handelt es sich um chinesische Fertigarzneimittel. Diese sind in Deutschland verboten, weil sie keine Arzneimittelzulassung haben. Deshalb spielen sie in der Bundesrepublik kaum eine Rolle, auch wenn sie über das Internet bestellt werden können. Aber auch hier kontrolliert und beschlagnahmt der Zoll beim Bezug über das Internet. Seriöse Therapeuten dagegen ver¬schrei¬ben nach sorgfältiger Diagnostik Rezepturen aus Rohdrogen oder daraus hergestellten Extrakten. Diese müssen über Apotheken abgegeben werden und nach deutschem Recht durch anerkannte Institute auf Identität, Reinheit und mikrobielle Unbedenklichkeit geprüft werden. Australische Wissenschaftler haben nun eine wirksame und kostengünstige Methode entwickelt, um Verfälschungen und illegale Bestandteile besser aufspüren zu können [1]. Dies wird die Arzneimittelsicherheit erfreulicherweise erhöhen, allerdings wird man ohnehin in Deutschland bei legal vertriebenen Arzneimitteln kaum auf das Horn der Saigaantilope oder Bestandteile des asiatischen Schwarzbären stoßen.

In einem Punkt allerdings verlassen die australischen Autoren der ersten Studie [1] den Weg der Wissenschaft. Der bloße Nachweis der Pflanzengenera Ephedra und Asarum in den Produkten reicht ihnen, um von möglicher Toxizität zu sprechen. Sie ignorieren, dass „die Dosis das Gift macht“ (Paracelsus). Ephedra ist eine der ältesten Heilpflanzen, ihre wesentlichen Wirkstoffe Ephedrin und Pseudoephedrin werden auch heute noch in westlichen Arzneimitteln eingesetzt, ohne dass jemand auf die Idee käme, sie als Gift zu bezeichnen. Die durchaus sehr gefährliche Aristolochiasäure kommt in den Pflanzenarten der Gattung Aristolochia in hohen Konzentrationen vor. In den offiziellen Asarumdrogen jedoch liegt der Gehalt ungefähr um den Faktor 1.000 niedriger, soweit die Substanz überhaupt nachweisbar ist. Asarum ist daher bei verantwortungsbewusst gewählter Anwendungsdauer ungefährlich. Mit demselben Recht, wie hier von „Gift“ geredet wird, könnte man auch bei diversen Lebensmitteln des täglichen Gebrauchs von „Gift“ sprechen, weil sie natürlicherweise Stoffe enthalten, die – in größerer Quantität eingenommen – gefährlich werden können.

Die zweite Studie [2] bestätigt noch einmal sehr klar, was schon länger bekannt ist [z.B. 3], nämlich dass Aristolochiasäure aus chinesischen Arzneimitteln etliche Krebsfälle in Taiwan (und anderen Ländern) verursacht hat. Man sollte aber dazu sagen, dass Aristolochiasäure und Produkte, die sie enthalten, in Deutschland seit 1981 verboten sind und seit 2003 auch in China und Taiwan. Und dieses Verbot wird in Deutschland rigide kontrolliert. Insofern ist der deutsche Patient bei seriös vorgenommener Heilbehandlung vor dieser Gefahr geschützt. Wir deutsche TCM-Organisationen (Traditionelle Chinesische Medizin) haben schon seit dem Jahr 2000 vor den Gefahren durch Aristolochiasäure gewarnt [4]. Wir sorgen für einen hohen Standard der Arzneimittelsicherheit unserer Therapierichtung und können sagen: Die chinesische Arzneitherapie ist in der hierzulande praktizierten Form sehr sicher, auch wenn unerwünschte Arzneimittelreaktionen möglich sind. Schwere Nebenwirkungen sind jedoch sehr selten.

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Quellen
1. Coghlan ML, Haile J, Houston J et al. Deep sequencing of plant and animal DNA contained within traditional Chinese medicines reveals legality issues and health safety concerns. PLOS Genetics 2012; 8: 1-11. www.plosgenetics.org/article/info:doi/10.1371/journal.pgen.1002657
2. Chen CH, Dickman KG, Moriya M et al. Aristolochic acid-associated urothelial cancer in Taiwan. Proc Natl Acad Sci USA. 2012, Apr 9. www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22493262
3. Committee on Chinese Medicine and Pharmacy. The analysis of the suspected nephrotoxic prescriptions of western medicines and Chinese herbs before dialysis in all dialysis patients in Taiwan. In: Department of Health, Taiwan, ed., 2007. www.ccmp.gov.tw/en/research/result_popup.asp?detailno=1138
4. Wiebrecht A. Über die Aristolochia-Nephropathie. Dt Zschr Akupunktur 2000; 43: 187-197. journals.elsevier.de/dza