1. DÄGfA-Symposium „Akupunktur und Psychiatrie“ überwindet Grenzen und setzt neue Akzente

2. DÄGfA-Psychiatrie-Symposium am Max-Planck-Institut für Psychiatrie im November 2015

Am 15. November 2014 fand in München das 1. DÄGfA-Symposium „Akupunktur und Psychiatrie“ statt. Organisiert wurde die Auftaktveranstaltung einer neuen Symposiumsreihe von der DÄGfA, in Kooperation mit der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU, Direktor: Professor Dr. Peter Falkai). Im Fokus stand die Frage, welchen Stellenwert Akupunktur und Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) bei psychiatrischen und psychosomatischen Patienten haben. Dabei ging es nicht nur um Empfindlichkeitsstörungen und vegetative Beschwerden, sondern auch um den Einsatz bei affektiven, neurotischen Belastungs- und somatoformen Störungen sowie Persönlichkeitsstörungen. Das 2. DÄGfA-Psychiatrie-Symposium ist für den 14. November 2015 am Max-Planck-Institut für Psychiatrie, München, geplant.

Akupunktur in der Psychiatrie angekommen

PD Dr. Dominik Irnich, Leiter des Fortbildungszentrums der DÄGfA, eröffnete das Symposium. Er wies insbesondere auf die lange Geschichte der Akupunktur in der Therapie psychiatrischer und psychosomatischer Erkrankungen hin. Gerade die DÄGfA habe sich in den vergangenen Jahrzehnten besonders um die psychosomatischen Aspekte bemüht. So wurden Parallelen zwischen den überlieferten Erkenntnissen der TCM und moderner Psychosomatik entwickelt und herausgestellt. Die Integration der Akupunktur in Psychiatrie und Psychosomatik wurde stets und kontinuierlich unterstützt und vorangebracht, sowohl im Westen als auch im Osten. Das gewonnene Wissen sei unmittelbarer Bestandteil der Ausbildungsinhalte vieler DÄGfA-Kurse.

Die Tatsache, dass die Akupunktur nun auch in einer der renommiertesten Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie angekommen ist, dass diese ein Symposium beherbergt und mit veranstaltet, ist das Ergebnis dieser fruchtbaren Arbeit. Besonderer Dank gilt DÄGfA-Dozent Dr. Richard Musil, Oberarzt an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, sowie PD Dr. Frank Padberg, Oberarzt und kommissarischer Leiter der Abteilung für Psychotherapie und Psychosomatik, die in enger Kooperation mit dem Fortbildungszentrum der DÄGfA dieses Symposium realisieren konnten.

Das 1. DÄGfA-Symposium „Akupunktur und Psychiatrie“: der gelungene Auftakt einer neuen Veranstaltungsreihe. V.l.n.r.: Dr. Dr. Thomas Ots, Dr. Stefan Kloiber, Dr. Nicolas Behrens, Dr. Adriane Röbe, PD Dr. Dominik Irnich, Dr. Richard Musil, PD Dr. Frank Padberg, Jürgen Mücher.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impulse und wertvolle Erfahrungen aus der Praxis

Dr. Richard Musil setzte mit seinem Einführungsvortrag klare wissenschaftliche Akzente. Die Notwendigkeit, neue Therapieansätze zu evaluieren, ergäbe sich aus den nicht immer befriedigenden Ergebnissen der vorhandenen Standardtherapie bezüglich Wirksamkeit, aber auch hinsichtlich kurz- und langfristiger unerwünschter Wirkungen vieler Medikamente. Demgegenüber wurde die wissenschaftliche Evidenz für den Einsatz der Akupunktur dargestellt. Es wurde klar, dass bei einigen Indikationen eine hoffnungsvolle Evidenz für die Akupunktur vorhanden ist, es in den meisten Bereichen aber noch an aussagekräftigen Studien mangelt.

PD Dr. Frank Padberg beleuchtete die Akupunktur aus dem Blick der Psychotherapie und sprach über „Die eigene Rolle im Heilungsprozess“. Akupunktur im psychiatrischen Kontext zeige Ähnlichkeiten zu anderen körperorientierten Psychotherapien, wie sie im Rahmen der dritten Welle der Verhaltenstherapie immer stärker verbreitet seien. Durch das besondere Körperbild in der Akupunktur könnten insbesondere funktionelle körperliche Beschwerden im Rahmen von z.B. somatoformen Störungen in ein neues Licht gesetzt werden und so im therapeutischen Prozess neue Zugangswege zur Heilung ermöglichen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Jürgen Mücher, niedergelassener Arzt für Akupunktur/TCM und DÄGfA-Dozent, ging auf die Möglichkeiten ein, wie Akupunktur psychotherapeutische Prozesse unterstützen kann. Grundsätzlich ließen sich vier Szenarien postulieren, die sich durch I) Hemmung und Unterdrückung von Gefühlen, II) Übermäßige emotionale Aktivierung, III) Mangel an „geistiger Energie“ und IV) Nervöse Erschöpfung hinderlich für den Fortschritt einer Psychotherapie auswirkten. Diese emotionalen Zustände werden Mustern der chinesischen Medizin zugeordnet. So erhält der Therapeut Handlungsanweisungen zum Einsatz von Akupunktur oder chinesischer Phytotherapie mit dem Ziel, die psychotherapeutischen Prozesse wieder zu ermöglichen.

Psychiaterin und NADA-Trainerin Dr. Adriane Röbe erläuterte den Einsatz von Körperakupunktur in einer Sprechstunde an einer psychiatrischen Klinik sowie die Möglichkeiten von NADA im psychiatrischen Kontext. Durch das Gruppensetting des NADA-Protokolls könnten viele PatientInnen zeiteffizient von der non-verbalen Ohrakupunktur profitieren. Außerdem nahmen in Röbes Sprechstunde insbesondere PatientInnen mit affektiven Störungen, Suchterkrankungen und Persönlichkeitsstörungen das Angebot individualisierter Körperakupunkturkonzepte an, insgesamt mit guten bis sehr guten Resultaten. Die Ergebnisse dieser Behandlungsevaluation waren bereits 2007 auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) präsentiert worden.

Wie sich Akupunktur gewinnbringend im Konsiliardienst bei PatientInnen mit depressiven und Angst-Störungen einsetzen lässt, berichtete Dr. Dr. Thomas Ots, Vizepräsident ÄfA, Obmann NADA-Austria, DZA-Chefredakteur und DÄGfA-Dozent, aus dem Modellversuch der Landesnervenklinik Sigmund Freud in Graz. In diesem Modell wurden den psychiatrischen Patienten verschiedene komplementäre Behandlungsformen angeboten. Aufgrund ihrer effizienten Herangehensweise als Gruppentherapie etablierte sich die Ohrakupunktur nach dem NADA-Protokoll rasch für sehr viele als wichtiger Therapiepfeiler. Anhand von Fallbeispielen zeigte Ots außerdem beeindruckend auf, wie erfolgreich Körperakupunktur insbesondere bei Angststörungen sein kann.

Den für DÄGfA-Symposien typischen Brückenschlag zu den Therapiestandards der jeweiligen Fachdisziplinen vollzog Dr. Stefan Kloiber, Oberarzt am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München und Dozent der DÄGfA. In einem State-of-the-Art-Update zur Behandlung depressiver Störungen informierte er über die aktuelle Datenlage zu Epidemiologie, Symptomatik, Verlauf und Behandlungsmöglichkeiten der majoren Depression. Mit den Ergebnissen wissenschaftlicher Studien zur Therapie affektiver Störungen mittels Körper- oder Ohrakupunktur rundete Kloiber seinen Vortrag ab.

Den Reigen der Impulsvorträge schloss DÄGfA-Dozent Dr. Nicolas Behrens, niedergelassener Arzt für Physikalische Medizin mit Schwerpunkt Schmerztherapie/Psychosomatik/Akupunktur. Durch seine Arbeit mit der Methode Psychotonik Glaser® konnte er einen großen Bogen spannen zwischen psychischen und körperlichen Symptomen als Manifestationen einer Störung des Qi-Flusses, wie sie so oft in Kombination bei Patienten vorkommen. In der therapeutischen Arbeit könne mithilfe von Akupunktur oder Berührung zum einen an der Beziehung des Patienten zu sich selbst und zu seiner Umwelt gearbeitet werden. Zum anderen ließen sich heilsame Veränderungen der Körperhaltung induzieren. Dem (Psycho-)Therapeuten eröffneten sich durch solche Methoden neue Zugangswege in der Behandlung psychiatrischer Patienten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nach den Impulsvorträgen, die von spannenden Diskussionen begleitet wurden, konnten die Teilnehmer die referierten Inhalte nachmittags in zwei Runden von Workshops vertiefen. Auch praktische Übungen und Selbsterfahrung einer NADA-Behandlung waren Bestandteile dieses außergewöhnlichen Symposiums. In der abschließenden Diskussion im Plenum wurden offene Fragen und zentrale Aspekte nochmals gemeinsam erörtert. Sehr positiv war auch die Bereitschaft vieler KollegInnen, im Falle einer größeren Multizenterstudie zur Untersuchung der Wirkung von Akupunktur bei einer psychiatrischen Erkrankung als Behandlungszentrum mitzuwirken. Der Spezialkurs „Akupunktur in Psychiatrie und Psychosomatik“ mit mehreren Referenten am nächsten Tag ging nochmals in die Tiefe und fand regen Anklang.

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SAVE THE DATE

14./15.11.2015

2. DÄGfA-Psychiatrie-Symposium
Wissenschaftliches Symposium am Max-Planck-Institut für Psychiatrie: Akupunktur in der Behandlung psychiatrischer und psychosomatischer Erkrankungen
14.11.2015 am Max-Planck-Institut für Psychiatrie, München

Am nächsten Tag: Spezialkurs „Akupunktur in Psychiatrie und Psychosomatik“ mit mehreren Referenten

Information und Anmeldung unter
www.daegfa.de >> Ärzteportal >> Ausbildung >> Spezialkurse und Symposien

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