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Akupunktur zählt zu den sicheren Verfahren in der Medizin, bedarf aber medizinischer Kompetenz

Aktuelle systematische Übersichtsarbeit mit Metaanalysen von P. Bäumler et al. „Acupuncture-related adverse events: systematic review and meta-analyses of prospective clinical studies”

Akupunktur wird zur Therapie oder Prävention von Erkrankungen weltweit in steigendem Maße eingesetzt. In der EU gibt es 80.000 akupunktierende Ärztinnen und Ärzte und 16.000 nicht-ärztliche Akupunkteurinnen und Akupunkteure. In Deutschland haben knapp 15.000 Ärztinnen und Ärzte die Zusatzweiterbildung Akupunktur, weitere 10.000 Ärztinnen und Ärzte haben eine Ausbildung und praktizieren Akupunktur in Kliniken oder Privat-Praxen. Von Patientenseite wünschen sich 70 Prozent komplementäre Verfahren, 80 Prozent der Patientinnen und Patienten mit Akupunkturerfahrung würden sich wieder mit Akupunktur behandeln lassen. Entsprechende Schätzungen gehen davon aus, dass somit in Deutschland mehrere tausend Akupunkturbehandlungen täglich und mehre Millionen Behandlungen pro Jahr stattfinden. Insbesondere bei Schmerzen ist die Akupunktur in ihrer Wirksamkeit gut belegt und wird häufig angewendet. Allerdings ist die Sicherheit der Akupunktur immer wieder Gegenstand kontroverser Diskussionen.

In einer aktuell in der renommierten Fachzeitschrift BMJ open veröffentlichten Übersichtsarbeit konnten nun Forscher der LMU München belegen, dass die Akupunktur ein sicheres medizinisches Verfahren ist. „Wir konnten 11 Studien mit über 800.000 Patientinnen und Patienten auswerten, die die Nebenwirkungen bezogen auf eine ganze Serie systematisch untersuchten. Es zeigte sich, dass jede zehnte Behandlung mit einer ganzen Akupunkturserie mindestens ein unerwünschtes Ereignis hat. Auf die einzelne Behandlung gerechnet bedeutet das ein unerwünschtes Ereignis nach ungefähr jeder dreizehnten Behandlung. Das belegt die Analyse von 5 Studien mit 55.000 Patientinnen und Patienten.“ so die Erstautorin Frau Dr. biol. hum. Petra Bäumler, MSc, MPH, Wissenschaftlerin an der Schmerzambulanz, Klinik für Anaesthesiologie, LMU Klinikum München.

Studienleiter Prof. Dr. med. Dominik Irnich ergänzt, dass es sich bei den Nebenwirkungen vorwiegend um kleinere unerwünschte Wirkungen wie Mini-Blutungen, Rötung oder leichten Nadelschmerz handelt. Die Autoren diskutieren in der Arbeit inwieweit diese kleinen unerwünschten Wirkungen nicht unmittelbarer Teil der Therapie sind. So wird Schmerz häufig nach Traditioneller Chinesischer Medizin als sogenannte „Fülleerkrankung“ interpretiert und ein kleiner Blutstropfen an Stelle der Nadelung therapeutisch angestrebt.

Die Studie zeigt aber auch, dass schwere unerwünschte Wirkungen vorkommen können. Bei einer Million Akupunkturen ist mit rund sechs direkt auf die Behandlung zurückzuführenden schwerwiegenden Ereignissen zu rechnen. Dazu gehören die Lungenverletzung oder stärkere Herz-Kreislaufreaktionen. „Selbst wenn schwerwiegende Wirkungen nur sehr selten auftreten, erfordert das Erkennen und Management derartiger Ereignisse fundierte medizinische, am besten ärztliche, Kompetenz.“ so Irnich weiter.

Der Leiter des Wissenschaftszentrums der Deutschen Ärztegesellschaft für Akupunktur – DÄGfA, Prof. Dr. med. Winfried Banzer, betont die Notwendigkeit dieser Untersuchung: „Lange Zeit hatten wir nur Einzelstudien mit unterschiedlichsten Ansätzen und Ergebnissen. Diese Lücke ist mit dieser Veröffentlichung nun geschlossen.“

Literatur: https://bmjopen.bmj.com/content/11/9/e045961

München, 15.09.2021

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