DÄGfA-Symposium ‚Der Bauch denkt’

Auf dem DÄGfA-Symposium ‚Der Bauch denkt’ konnten die Teilnehmer viel Interessantes und Praktisches über die Bauch-Hirn-Achse im Fokus von Wissenschaft, Tibetischer und Chinesischer Medizin erfahren.

 

PD Dr. med. Dominik Irnich, 1. Vorsitzender der DÄGfA, eröffnete das Symposium, das am 19.3. erstmalig in Frankfurt stattfand.

Sonja Maric, Institut für Ost-West Medizin Bad Homburg und PD Dr. med. Dominik Irnich moderierten im weiteren Verlauf charmant und abwechselnd durch die vielseitige Veranstaltung, auf der die Verbindungen von Bauch und Gehirn aus unterschiedlichen Blickwinkeln dargestellt und intensiv diskutiert wurden. Sonja Maric betonte die besondere Gelegenheit, in diesem Rahmen der noch etwas unbekannteren Tibetischen Medizin Raum zu geben und erinnerte an die über 20jährige Geschichte der Ausbildung in Tibetischer Medizin in der DÄGfA, einer der Pionier- und Lebensleistungen von Dr. med. Walburg Maric-Oehler, langjähriger Präsidentin und Ehrenpräsidentin der DÄGfA.

Von links nach rechts: PD Dr. med. Andreas Stengel, PD Dr. med. Michael Noll-Hussong, Sonja Maric, M.A., Dr. med. Uwe Siedentopp, Sabine Schierl, Dr. rer. nat. Herbert Schwabl, PD Dr. med. Dominik Irnich

 

Zum Auftakt gab PD Dr. med. Andreas Stengel, Charité Berlin, 2. Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie, in seinem Einführungsvortrag einen umfassenden Überblick von der Historie zum aktuellem Forschungsstand der komplexen neuro-gastroenterologischen Aspekte der Bauch-Hirn-Achse. Durch die Einbeziehung von Studien zu tibetischen Kräuterformulierungen, Akupunktur und Moxibustion bei funktionellen Magen-Darm Erkrankungen war dieser erste Vortrag bereits ein gelungener Brückenschlag zwischen Wissenschaft, Psychosomatik und asiatischer Erfahrungsmedizin zum Thema Bauch-Hirn-Achse.

 

PD Dr. Michael Noll-Hussong, Psychosomatik Universitätsklinikum Ulm, referierte über praxisrelevante Aspekte der psychosomatischen Medizin in der Gastroenterologie. Die Herausforderung der Behandlung somatoformer Störungen erläuterte er anschaulich in der Gegenüberstellung dysfunktionaler und funktionaler Arzt-Patienten-Beziehung. Anhand von Beispielen psychosomatischer Aspekte bei gastroenterologischen Erkrankungen wurde die Bedeutung der Brain-Gut-Axis für den klinischen Alltag deutlich.

 

Sabine Schierl, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin, Bad Endorf, Leiterin des Fortbildungszentrums DÄGfA, stellte die Bedeutung von Umwelt, Ernährung und Lebensstil in den ersten Lebensjahren aus Sicht der Chinesischen Medizin hinsichtlich der Entwicklung von Störungen der Brain-Gut-Axis im Kindes- und Jugendalter heraus. Ausgehend von historischen Texten wurde die Bedeutung von Riten, Ritualen und Rhythmen in den verschiedenen Entwicklungsphasen im häuslichen Umfeld sowie im Kindergarten- und Schulalter anschaulich vermittelt. Dabei stand der Funktionskreis Magen-Milz mit zahlreichen Ernährungshinweisen im Mittelpunkt ihrer Betrachtungen.

 

Sonja Maric, M.A., Institut für Ost-West Medizin Bad Homburg, Ärztliche Ausbildung Tibetische Medizin, erweiterte schließlich die Bauch-Hirn-Achse um das tiefgreifende Geist-Konzept der Tibetischen Medizin. Sie erläuterte zudem anschaulich inwiefern in der Tibetischen Medizin das Konzept von Verdauungshitze als zentrale Kraft im Körper alle physiologischen, physischen und psychischen Prozesse beeinflusst und was diese Interaktion für Diagnostik und Therapie vieler chronischer Krankheitsbilder, nicht nur gastrointestinaler Erkrankungen, bedeutet.

 

Dr. Herbert Schwabl, Forschungsabteilung Padma AG, Schweiz, ließ die Teilnehmer in seinem Vortrag an seinem Erfahrungsschatz rund um Forschung und Anerkennungregulierungen asiatischer Heilmittelrezepturen in der Schweiz und Europa teilhaben. Er stellte die Besonderheit bei der Zusammenstellung und Wirkweise tibetischer Rezepturen als Vielstoffgemische heraus, auch im Vergleich zu TCM-Rezepturen.

 

Dr. Uwe Siedentopp, Arzt für Naturheilverfahren, Ernährungswissenschaftler, Kassel,

fokussierte seine Ausführungen auf die Bedeutung der Ernährung und Psyche bei Magen- und Darmerkrankungen in der Chinesischen Medizin.  Er hob dabei die Wechselwirkungen zwischen Essen, Emotionen und Gefühlen hervor, die spürbaren Einfluss auf unser mentales Wohlbefinden sowie die Entstehung von Magen-Darmerkrankungen haben. Die feinstoffliche Verdauung der Milz hat zentrale Auswirkungen auf alle Emotionen in der Chinesischen Medizin. Damit beeinflusst der Bauch als Mitte entscheidend unser physisches und psychisches Wohlbefinden.

 

Nachmittags konnten die Teilnehmer in praxisorientierten Workshops die Konzepte und Therapieformen Tibetischer und Chinesischer Medizin zu gastrointestinalen Erkrankungen vertiefen.

 

Sonja Maric ging im Workshop Tibetische Medizin vor allem auf die Verdauung als Lebenskraft und Krankheitsursache ein und vermittelte am Beispiel der tibetischen Konstitutionslehre den systemischen Behandlungsansatz der Tibetischen Medizin. Hierbei wurde vor allem Ernährung und Lebensführung als notwendige Therapiegrundlagen aller chronischen Krankheitsbilder diskutiert und auf Basis der Prinzipien Tibetischen Medizin gemeinsam erarbeitet.

 

Im Workshop Chinesische Medizin erläuterte Dr. Uwe Siedentopp integrative Behandlungskonzepte bei Bauch-Hirn-Disharmonien. Anhand des Reizdarm-Syndroms und chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen wurden die verschiedenen differenzialdiagnostischen und therapeutischen Aspekte in Theorie und Praxis vermittelt und diskutiert.

 

Zusammengefasst eine schöne und gelungene Veranstaltung mit viel Raum für kollegialen Austausch und Erkenntnisgewinn für alle Teilnehmende. Der Fokus der Veranstaltung lag auf der aktuell zunehmenden Bedeutung des Themas Bauch-Hirn-Achse für die heutige Praxis und welchen Beitrag die asiatischen Medizintraditionen Tibetische und Chinesische Medizin beisteuern können. Die wachsende Prävalenz neurogastroenterlogischen Erkrankungen erfordert dringend sowohl präventiv als auch therapeutisch neue Denk- und Handlungsansätze. Dieses Symposium hat einen ersten Beitrag dazu geleistet.

 

Am darauffolgenden Tag fand ergänzend der Sonderkurs Diagnostik und Therapie von Magen-Darm-Erkrankungen in der Tibetischen Medizin mit Sonja Maric, M.A., statt.